HIRAETH

 HIRAETH - I carry someone else's memory


„They were not alive at the time. They were not supposed to know. Often, they were not even told. But they know. They know it in their bodies, in every cell of their body. It is almost as if they were born with that knowledge." 
                                                                                                                                                                                 Natan Kellermann 2015


„HIRAETH [...] diskutiert die komplexen individualpsychologischen Ursachen von Fremdenfeindlichkeit und letztlich Faschismus und deren vergesellschaftete Formen und Tendenzen. Fein beobachtet, scharf analysiert und eindrucksvoll gespielt und getanzt gerät das Stück zu einem flammenden Manifest gegen Ausgrenzung, Gewalt und Krieg, für das Durchbrechen des ewigen Kreislaufes unreflektiert fortgelebter Verletzungen und seelischer Verstümmelungen und für die Übernahme von Verantwortung, für sich selbst und somit für die Menschheit."
Rando Hannemann, Online Merker, November 2019

„Neue Formen: Das Schauspiel als Schlüssel zur Erkenntnis, das den performativen Rahmen ausweitet. Plötzlich entsteht eine große Interpretationsfläche, die die kleinen grauen Zellen in Ekstase versetzt. Die Performerinnen & Choreografinnen Mara Kluhs und Nadja Puttner lassen ihre Körper sprechen. Eingesperrtsein und Sprachlosigkeit erhalten neue physische Formen und werden mit unglaublicher Leichtigkeit und großer Beharrlichkeit zelebriert.“ 
whatisawfromthecheapseats.com, Jänner 2019
Du bist, was deine Vorfahren erlebt haben, oder?

Mehr als 25 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs träumt ein fünfjähriges Mädchen von Fliegeralarm und Bombenangriffen, die es nie erlebt hat und von denen es eigentlich nichts wissen kann. Jahre später erzählen die Großeltern vom Krieg, den sie im Widerstand gegen die NS-Diktatur teils in Gefangenschaft miterlebt haben. Und sie erinnert sich. Auch an das Gefühl der Hilflosigkeit und des Eingesperrtseins, das sie ihr ganzes Leben lang nicht mehr loslassen wird.
Ein anderes Mädchen beginnt bereits als Siebenjährige, sich bewusst vom Leben zurück zu ziehen. Bedrückt und eingeschüchtert von dem Schweigen, das in ihrer Familie omnipräsent ist, versteckt sie sich nun selbst hinter einer Mauer des Schweigens. Auch als Erwachsene wird sie nicht wagen, das auszusprechen, was sie wirklich denkt und fühlt.

HIRAETH beschäftigt sich mit der Frage, wie die Erlebnisse und Erinnerungen unserer Eltern und Großeltern in uns weiterleben und unser Denken und Handeln unbewusst beeinflussen. 
Glaubte man früher, dass Kinder ausschließlich davon geprägt werden, was sie tatsächlich erleben, so geht man heute davon aus, dass es vor allem die unausgesprochenen, verdrängten Dinge sind, die Einfluss auf die Psyche nehmen. Es wird immer wahrscheinlicher, dass schwerwiegende Traumata der Vorfahren sogar auf biologischem Weg an die Nachkommen übertragen werden und bei diesen als unbewusste, instinkthafte Ängste und scheinbar unüberwindbare Blockaden zum Ausdruck kommen.

Haben wir nicht nur die Gene unserer Vorfahren „geerbt“, sondern auch deren Geschichte(n)? 

Der europäische Mensch von heute vor dem psychohistorischen Hintergrund der beiden Weltkriege und der darauf folgenden gesellschaftlichen Umbrüche und Revolutionen: Kriegstraumata, Hunger, Verfolgung und Gefangenschaft, brutale Erziehungsmethoden und verdrängte Schuldgefühle der Vorfahren stehen einer steigenden Anzahl von psychischen Beschwerden der Kinder, Enkel und Urenkel gegenüber: Angstzustände, Panikattacken, Albträume, Depressionen und soziale Probleme sind typisch für die Generationen der Nachkriegszeit. 
Sind sie die logische Folge der Ereignisse der letzten 100 Jahre? Oder ist es uns „Friedens – und Wohlstandskindern“ einfach „zu gut“ gegangen?
Müssten wir als Kinder und Enkel der „Kriegsgeneration“ nicht durchwegs glücklich und dankbar sein, in eine sichere, „heile“ Welt hineingeboren zu sein? Dürfen wir uns überhaupt hilflos und traurig fühlen? Wo es doch anderen auf diese Welt so viel schlechter geht als uns?
Und warum erscheinen uns Krieg, Flucht und Verfolgung heute oft so unwirklich, wie gruselige Geschichten aus einer fernen Welt, obwohl unsere Großeltern noch unmittelbar davon betroffen waren? Und obwohl wir täglich von Medienberichten mit aktuellen Kriegsschauplätzen konfrontiert werden und Kriegsflüchtlinge nach Europa strömen? 

Welche Rolle spielt die Vergangenheit in unserer Gegenwart, und wie können wir mit unserem „Erbe“ verantwortungsvoll umgehen?  
Kann es uns dabei helfen, mehr Raum und Akzeptanz auch für Menschen mit anderer Meinung, anderen Lebensmodellen, anderer Herkunft zu schaffen, indem Offenheit und Kommunikation über das Schweigen gestellt wird? 

HIRAETH - Eine Tanzperformance über geerbte Erinnerung.
Radiointerview mit Nadja Puttner & Edoardo Blandamura auf FREIRAD Innsbruck am 18.03.2019.
Nachhören

Konzept, künstlerische & choreografische Leitung: Nadja Puttner
Regie: Fritz von Friedl
Tanz/Performance/Choreografie: Nadja Puttner, Mara Kluhs (seit Anfang 2019)/Monika Schuberth (bis Ende 2018)
Kontrabass/Performance: Edoardo Blandamura

Premiere Erstfassung: 11. Mai 2017, DAS OFF THEATER
Premiere Neufassung: 23. Jänner 2018, DAS OFF THEATER
Weitere Vorstellungen: 
24. & 25. Jänner 2018, DAS OFF THEATER
06.10.2018 – MUT! Theater, Hamburg
11. & 12.01.2019 – Toihaus Theater Salzburg
01. & 02.2.2019 – Westbahntheater, Innsbruck
06.04.2019 – k&k Kultur- und Kommunikationszentrum, St. Johann im Rosental
14.04.2019 – MUT! Theater, Hamburg
27. & 28.04.2019 – Brotfabrik, Berlin
aktuell: 07.11.2019 - ODEON, Wien

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